Das Klavier der Marke Rösler wurde 1969 in Tschechien gebaut. Nun wurde es länger nicht gespielt. Gestimmt wurde es vermutlich noch nie. Nun, die Verstimmung ist bei einigen Tönen sehr auffällig. Die Spielart ist nicht nur zäh, es bleiben auch eine ganze Reihe von Tasten hängen, wie man an den fehlenden Tönen bei der Aufnahme der Verstimmung hört. Daher bereite ich das Klavier schon mal für einen umfangreicheren Klavierservice vor:
An dem Innenleben des Klaviers sind keine Schäden zu entdecken. Das heißt konkret, dass die Gussplatte, der Resonanzboden und die Stege in Ordnung sind.
Beim Einbau der Tasten fällt auf, dass diese den so genannten Vorderfall haben. Das heißt, die Tasten sind wie beim Flügel ausgewogen und fallen ohne das Gewicht der Mechanik nach vorne. Das ist aber beim Klavier ein Fehler, denn die somit oftmals zu langsam zurückfallende Taste blockiert die Mechanik und begrenzt damit die Anschlagsschnelligkeit (Repetition).
Schritt für Schritt wird das Klavier wieder zusammengebaut. Dabei wird die Mechanik kontrolliert und reguliert. Das Ergebnis besteht nicht nur darin, dass nun wieder alle Tasten funktionieren, sondern die Klaviatur hat auch eine wesentlich angenehmere Spielart. Die Spielart ist die technische Seite, die der Klavierspieler vom Spielwerk über die Klaviatur vermittelt bekommt. Stimmt die Spielart, kann sich ein gutes Spielgefühl entwickeln. Spätestens an dieser Stelle kommen also die Emotionen ins Klavierspiel. Die Performance wird optimiert.
Doch Halt! Schon bei der Aufnahme der Verstimmung hat der geübte Hörbeispiel-Hörer analysiert, dass die Mechanik fehlerhaft eingestellt ist, da die Klavierhämmer mehrfach anschlagen. Diesen Effekt nennt man Trommeln. Er lenkt die Aufmerksamkeit ab und verwandelt die eigentlich erwünschte Optimierungs-Strategie in eine Schadens-Reduzierung-Strategie. Mit anderen Worten: Man konzentriert sich darauf, das Stück herunterzuspielen, es zu Ende zu bekommen, und bloß nicht hängen zu bleiben.
Nach der Mechanikregulierung ist das Ziel (fast) erreicht. Das Klavier wurde trotz einem ersten Negativeindruck wieder gestimmt. Allerdings auf der vorhandenen Tonhöhe von 421 Hertz. Das ist kein Drama, sondern optimiert die Entspannung, bietet dem Sänger mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Nun könnte es losgehen, aber das rechte Pedal fällt nun mit einem leichten Nebengeräusch auf. Das lenkt unseren Blick auf die Pedale. Sie zeigen das typische Bild:
Offensichtlich wurde bei diesem Klavier nur das rechte Pedal genutzt - und das ja nun auch schon länger nicht mehr. Daher ist der Unterschied im Glanz der Pedale auch nicht ganz so stark wie sonst bei Klavieren. Der Glanz der Pedale verrät deren Nutzung. Und das heißt, dass das linke Pedal scheinbar traditionell vernachlässigt wird. Warum ist das so? Weil das linke Pedal eine schlechte Technik hat, bei der nämlich der Hammerweg verkürzt wird, um die Lautstärke zu reduzieren. Bei einer derartigen Konstruktion ändert sich jedoch das Niederdruckgewicht der Tasten beim Treten des linken Pedals. In der Summe ist der Effekt offensichtlich zu gering, als dass es die Masse der Klavierspieler animiert, häufiger genutzt zu werden.
Zum Schluss ist alles gut, denn das Klavier klingt, wie es noch nie geklungen hat, und es spielt sich, wie es sich noch nie hat spielen lassen!