Der Untertitel zu diesem Hörbeispiel könnte die folgende Frage sein: Wie definiert man ein echtes Klavier? Möglicherweise definiert sich die Echtheit unseres Kulturmöbels über diese Eigenschaften:
Demnach wäre dieses Instrument ein echtes Klavier!
Doch beim zweiten Blick entdeckt man links und rechts Schalter, Regler sowie eine Steckbuchse. Was ist das für ein Klavier?
Dieses Klavier wurde circa 1975 von der Marke Ferdinand Manthey (Berlin) gebaut. Zwar ist der Typ des Instruments auf dem Klavier selbst nicht vermerkt, doch von einer Stimmung des gleichen Modells in einer anderen Region kann ich Ihnen verraten, dass es sich um ein Stereo-Piano handelt. Was aber bitte ist ein Stereo-Piano? Nun ganz einfach aus der Sicht eines kreativen Klavierbauers die Weiterentwicklung vom Mono-Piano zum Stereo-Piano. Das Mono-Piano hat nur einen Klangkörper und ist somit zwangsläufig in die Kategorie Mono einzustufen. Das Instrument aus diesem Hörbeispiel verfügt jedoch über 2 Klang-Ausgänge, wodurch es in die höhere Kategorie des Stereo-Pianos aufsteigt. In der Theorie ist die Wirklichkeit noch nicht offensichtlich. Daher lassen Sie uns das Piano Schritt für Schritt erkunden. Kommen Sie mit auf eine ganz besondere Pianotour:
Wir nähern uns beim Betrachten dem Piano an und stellen fest, dass es in der Mittellage sowie im Diskant nicht wie beim Standard-Klavier 3 sondern lediglich 2 Saiten hat. Hm. Ist das in Anlehnung an das 2014 von Klavins (Bonn) kreierte Una-Corda-Piano (mit durchgängig einer Saite pro Ton) vielleicht ein Duo-Corda-Piano?
Nein, da das Konzept der 2-Saiten nicht durchgängig ist. Wobei ich bei meinen Klavierstimmungen auch bereits ein Klavier gefunden habe, bei dem der Bass bis zum tiefsten Ton A2 mit 2 Saiten ausgestattet ist. Es handelt sich um eine Konstruktion des Klavierbauers Eduard Steingraeber (Bayreuth)von 1871:
Wieder zurück zu unserem Manthey-Stereo-Piano: Geht man einen Schritt weiter und blickt mal von oben hinter die Mechanik, so bewirt das Gesehene große Fragezeichen in unserem Kopf:
Daher gehen wir gleich den nächsten Schritt und bauen mal die Mechanik aus, um den freien Blick auf das interne Innenleben dieses Instruments zu bekommen:
Tja, und nun ist das Erstaunen groß. Denn was wir sehen, können wir kaum glauben! Das Stereo-Piano hat weder einen Resonanzboden noch Stege! Es ist quasi nur der Rahmen ohne Innenleben. Schon lese ich Ihre Gedanken: Hat das Klavier dann eine Seele? Ja! Ganz bestimmt hat auch dieses Klavier eine Seele. Denn Seele ist ein Aspekt unseres Wesens, der aus dem Zusammenspiel von uns als Zentrum unserer eigenen Welt und deren Umgebung entsteht. Das heißt, Seele geht über das Einzelwesen hinaus und lässt uns daher wie übersinnlich Signale aus unserer Umgebung wahrnehmen, die wir mit unseren Sinnesorganen so gar nicht wahrnehmen können. Wieder zurück zum Thema: Das Klavier ist in seiner Konstruktion eine Reaktion auf die sich in der Zeit entwickelnden Möglichkeiten entstanden. Das zeugt davon, dass in dem Unternehmen Ferdinand Manthey offensichtlich ein innovativer Geist vorhanden war, der es den Mitarbeitern erlaubte, aktuelle Entwicklungen zu integrieren. Unser Stereo-Piano ist daher nicht schlechter als die früher gebauten Pianos, sondern lediglich anders. Wie wird nun bei unserem Piano der Klang erzeugt?
Unter den Saiten sind Tonabnehmer positioniert. Diese leiten die mechanischen Schwingungen der Saiten an zwei Lautsprecher weiter, die innen am so genannten Unterrahmen angebracht sind. Mit dem Drehregler links neben der Klaviatur, dessen Drehknopf jedoch verloren gegangen ist, kann man nun die Lautstärke regeln. Man kann die Lautstärke bzw. einfach die Elektrik auch ganz abschalten. So bekommt das Klavier einen wiederum überraschend anderen, sehr leisen Klang, wie Sie es oben in der 3. Aufnahme ohne Strom hören können.
Was fällt noch auf an dieser besonderen Klavierkonstruktion? Zuerst einmal ist aus der Sicht des Marketings interessant, dass vermutlich nur wenige wissen, dass wir in Deutschland so etwas schon einmal erfunden und gebaut haben. Manch einem Bühnenmusiker ist vielleicht das Stagepiano CP-70M von Yamaha bekannt, das nach den gleichen Prinzipien funktioniert. Es hat eine Flügelform, ist aber im Gegensatz zum Flügel leichter zu transportieren, da es meines Wissens nach modular aufgebaut ist, das heißt, man kann es für den Transport zerlegen.
Das Instrument aus unserem Hörbeispiel wurde zuletzt vor 11 Jahren verstimmt. Dazu fällt mir als Erstes ein, dass ich das Klavier auf der Tonhöhe von 440 Hertz vorfand. Vergleicht man die Aufnahmen oben zwischen der Verstimmung und der Stimmung, so stellt man fest, dass für diesen relativ langen Zeitraum die Verstimmung ziemlich gering ist. Was ist der Grund für die offensichtlich ausgezeichnete Stimmhaltung? Der fehlende Resonanzboden! Der Resonanzboden aus Holz sowie vor allem die Wölbung dieses Resonanzbodens im Klavier ist der wesentliche Faktor für die im Jahresrhythmus stattfindende Belastung durch die mit den Jahreszeiten wechselnden Verhältnisse der Luftfeuchtigkeit. Es gibt den schönen Lehrsatz: Das Holz steht in ständiger Konkurrenz mit der Luft um die Feuchtigkeit, die die Luft mit sich führt. Das heißt konkret: Hat die Luft Feuchtigkeit übrig, nimmt das Holz diese auf. Verfügt die Luft aber über zu wenig Feuchtigkeit, so nimmt sie diese dem Holz wieder ab. Das Wechselspiel der Kräfte innerhalb des Klangkörpers eines Klaviers können Sie anhand von Bildern nachvollziehen und mittels einer genauen Beschreibung nachlesen auf der Seite Warum verstimmt sich mein Klavier?
Die Besitzerin dieses Stereo-Pianos wusste vor dem Besuch der Klavierstimmerei Praeludio® noch nichts von den im Klavier verborgenen Mechanismen. Bislang spielt sie das Klavier ohne Strom und somit mit recht wenig Klang. Nachdem ich ihr Klavier zur Probe mit Strom gespielt hatte, war sie sich sicher, dass sie nun mehr und vor allem mit Strom spielen würde! Es ist in diesem Fall nicht nur die Variation der Lautstärke, die in einem Spielfreude im Sinne von der Lust am Spielen aufkommen lässt. Es ist auch die im Vergleich zum akustischen Klavier längere Tonhaltedauer dieser Klangvariante, die einen im positiven Sinn emotional reagieren lässt. In meinem Fall habe ich bei der Aufnahme vor lauter Begeisterung übersehen, dass ich in dem kleinen Raum mit relativ viel Lautstärke spielte, so dass mein Rekorder bei der Aufnahme leicht übersteuert hat. Zu Hause angekommen ist das im ersten Moment ärgerlich. Analysiert man jedoch die Situation, so versteht man den Zusammenhang. Und der besteht darin, dass wir Musik als Ausdrucksmedium unserer Emotionen empfinden. Daher gehört die Zukunft auch jenen Musikinstrumenten, die uns ein breiteres Klangspektrum zum Gestalten der Musik anbieten, als das bislang der Fall ist. Die neue Kategorie im Klavierbau ist das Hybrid-Piano. Und die damals Verantwortlichen der Klaviermarke Ferdinand Manthey waren ebenso Pioniere, wie z.B. die deutsche Firma Hohner (seit 2014 im Besitz des taiwanesischen Unternehmens KHS Musical Instruments) mit dem durch Stevie Wonders Song Superstition bekannt gewordene Clavinet oder die damals noch im Besitz der Familie befindliche Firma Seiler (seit 2008 im Besitz der koreanischen Firma Samick) mit dem DuoVox erfolgreich die Grenzen des Bekannten überschritten und erweitert haben. Alle verbindet jedoch die mangelnde Fähigkeit, über ein entsprechendes Marketing den Markt so zu gestalten, dass sich aus einer schmalen Nische ein breiter Strom entwickelt. Nachhaltige Marktentwicklung gelingt bereits seit längerem nur dem japanischen Konzern Yamaha, wenn auch dessen innovative Entwicklungen weniger bekannt sind, als man aufgrund der damit erreichten Meilensteine für die betroffenen Musiker annehmen möchte. Deren neuestes Produkt aus der Reihe der Hybrid-Pianos ist das 2014 erschienene TransAcoustic-Piano Dieses Mehr-Wert-Instrument eröffnet uns erstmals die Option, den akustischen Klang und digitale Sounds zu mischen!