Sie hören ein Klavier, das außen den Namen Hupfeld-Grunert trägt. Es scheint sich um eine frühe Kooperation der Klavierbauer Hupfeld und Grunert zu handeln. Tatsächlich hat Ludwig Hupfeld 1920 den Klavierbauer Grunert übernommen. Hupfeld war bereits um 1900 einer der Vorreiter der Entwicklung des Selbstspielers sowie des Phonolas als ein Kunstspielklavier und somit als Gegenstück zu dem amerikanischen Pianola. Das sind selbst spielende Klaviere, die vor den Tasten einen so genannten Vorsetzer hatten, ein Automaten, der über Notenrollen gesteuert wurde, und der anstelle eines Menschen die Tasten bediente. Das Klavier aus unserem Hörbeispiel ist ohne diese technischen Besonderheiten. Es wurde bereits vor 1925 gebaut. Doch die Konstruktionsmerkmale entsprechen denen eines modernen Klaviers: Es handelt sich um einen Kreuzsaiter mit Unterdämpfermechanik.
Das Piano ist nicht sehr stark verstimmt. Interessanterweise ist es in den Bereichen stärker verstimmt, in denen die meisten Klavierspieler seltener spielen, nämlich im tiefsten Bass sowie im höchsten Diskant. Hat das Klavier möglicherweise Risse im Stimmstock, die für die stärkere Verstimmung in diesem Bereich verantwortlich sind? Oder hatte der letzte Stimmer mit diesen Randbereichen ein Problem? Der manuelle Test der Stimmnägel sowie der Blick auf den Resonanzboden und die Stege zeigten keinerlei Holzschäden. Also vermutlich ein Problem des Stimmers.
Vergleicht man die Endstimmung mit der Verstimmung, so fällt auf, dass die gute Stimmung am Ende harmonischer wirkt, obwohl der Unterschied nicht so stark sein kann, wenn die Verstimmung außer im Bass eben nicht stark war. Die Kunst der guten Stimmung scheint somit im Detail zu liegen. Oder wie es gerne nenne: Der Emergenz-Effekt macht den Unterschied. Bemüht man sich um die verschiedenen Kriterien der guten Klavierstimmung, so ergibt sich am Ende die ganzheitliche Stimmung als eine Art Emergenz-Effekt, auch wenn Details wie zum Beispiel die Klaviersaiten in sich unrein waren, und daher gar kein gutes Endergebnis zu erwarten gewesen wäre. Diesbezüglich hat die Klavierstimmerei Praeludio® mit der selbst entwickelten Hybrid-Stimmtechnik primaTEK© im Vergleich zum ausschließlichen Gehörstimmer die besseren Karten. Denn der Einsatz sowohl einer gut trainierten und umfangreichen Technik des Gehörstimmens als auch die zeitgemäße Verwendung eines hochwertigen Frequenzmessgeräts liefern letztendlich mehr Informationen als Grundlage für die ständig zu treffenden Entscheidungen über die tolerierbaren Grenzen des kleinstmöglichen Fehlers.